Rückhaltesysteme
Online-Enzyklopädie der Flurförderzeuge
Rückhaltesysteme (Gebrauchtstapler Enzyklopädie)
Die Analyse der tödlichen Unfälle mit Gabelstaplern aus den Jahren 1992 bis 1998 zeigt, dass
40,2 Prozent aller tödlich verunglückten Personen Fahrer sind. 58 Prozent dieser tödlich
verunglückten Fahrer starben bei einem Kippunfall. Von 100 tödlichen Staplerunfällen betreffen
demzufolge statistisch gesehen 23,4 Prozent Kippunfälle.
Das Duisburger Ingenieurbüro Weiner und Schröter, (IWS) hat in einem Leitfaden die Vor- und
Nachteile sowie die rechtliche Situation hinsichtlich Rückhaltesystemen (Restraint systems)
ausführlich beleuchtet. Die ausdrückliche Forderung nach technischen Maßnahmen, zum Beispiel
in Form von Rückhaltesystemen, für Stapler wird erst in der Änderungsrichtlinie zur
Arbeitsmittelbenutzer-Richtlinie erhoben (Richtlinie 89/655/EWG vom 30.11.1989, geändert durch
Richtlinie 95/63/EG vom 05.12.1995).
Flurförderzeuge mit aufsitzendem Arbeitnehmer beziehungsweise aufsitzenden Arbeitnehmern sind
demnach so zu gestalten oder auszurüsten, dass die Risiken durch ein Kippen des Flurförderzeugs
begrenzt werden.
Dies kann geschehen
- durch Verwendung einer Fahrerkabine oder
- mit einer Einrichtung, die verhindert, dass das Flurförderzeug kippt oder
- mit einer Einrichtung, die gewährleistet, dass bei einem kippenden Flurförderzeug für den/die
aufsitzenden Arbeitnehmer zwischen Flur und Teilen des Flurförderzeugs ein ausreichender Freiraum
verbleibt oder
- mit einer Einrichtung, die bewirkt, dass der/die Arbeitnehmer auf dem Fahrersitz gehalten
wird/werden, so dass er/sie von Teilen des umstürzenden Flurförderzeugs nicht erfasst werden
kann/können. (Richtlinie 95/63/ EG, Anhang 1, Abs. 3.1.5)
Wen betrifft das?
Die geänderte Richtlinie 95/63/EG hätte bis 05.12.1998 in deutsches Recht umgesetzt sein müssen.
Bis heute ist diese nationale Umsetzung nicht erfolgt. Da die Übergangsfrist vier Jahre beträgt,
müssten alle Geräte bis zum 05.12.2002 nach-gerüstet sein. Fraglich ist nun, ob durch eine verspätete
Umsetzung auch die Übergangsfrist entsprechend verlängert wird. Außerdem sollen nach Aussage des
zuständigen Fachausschusses bestimmte Fahrzeuggruppen von einer Nachrüstung ausgenommen werden.
Dies geschehe vor dem Hintergrund, dass kein entsprechendes Unfallgeschehen vorliegt und das Risiko
eines Umsturzes als sehr gering eingestuft wird. Zu dieser Gruppe zählen:
-Flurförderzeuge mit hebbarem Fahrerplatz
+Flurförderzeuge, die mit angehobener Last bestimmungsgemäß verfahren werden dürfen
-Schlepper
Nach derzeitigem Stand werden die geänderten Arbeitsmittelbenutzungsrichtlinien 89/644/EWG und 95/63/EG
auf Flurfördermittel angewendet, die bis Dezember 1998 in Betrieb genommen wurden (Frist bis 05.12.2002)
und ab 5. Dezember 2002 für Flurfördermittel, die ab Dezember 1998 in Betrieb genommen wurden.
Sonderregelung
Nach IWS-Angaben herrschen Sonderregelungen für Fahrzeuge, die zwischen Januar 1996 und Dezember 1998 in
Verkehr gebracht wurden. Deren Nachrüstung mit Sicherheitseinrichtungen für den Fahrer sollte bereits
Ende 2000 abgeschlossen sein. Geschah dies nicht, so könnten diese Stapler von den zuständigen
Aufsichtsbehörden beanstandet werden. Diesbezüglich sollen auch die Normen DIN EN 1726-1 und DIN EN 1459
Ergänzungen unterzogen werden. Neben all den verschiedensten passiven Systemen, zu denen auch Beckengurte
zählen, gibt es mittlerweile eine Reihe von aktiven Sicherungsmöglichkeiten, die von den Staplerherstellern
teilweise bereits angeboten werden. Hierzu zählen zum Beispiel die Geschwindigkeitssteuerung, die
Lenkwinkelsteuerung und die Pendelachssteuerung.
Plädoyer
Die Nachrüstung einiger Personenwagen (z.B. Audi TT, Mercedes A-Klasse und Smart) hat gezeigt, dass
elektronische Sicherheitssysteme heute einen ausgereiften Standard darstellen. insofern sieht der Herausgeber
in der Aus- bzw. Nachrüstung von Staplern mit den im vorigen Absatz genannten Sicherheitssteuerungen einen
weitaus besseren Lösungsansatz als in der Einführung von z.B. Gurtsystemen, die zwar vorhanden wären, jedoch
wegen ihrer Inpraktikabilität oft nicht genutzt würden. Brachliegende Sicherheitssysteme würden allenfalls
versicherungsrechtliche Nachteile für die Fahrer mit sich bringen, beispielsweise durch Haftungsbegrenzungen
seitens der Berufsgenossenschaften.